Definition der wissenschaftlichen Disziplin „Siedlungsphysik“
von Dr. Hans-Dieter Langer, Niederwiesa

 

Um sich der Definition der vom Autor eingeführten Bezeichnung „Siedlungsphysik“ zu nähern, bedarf es zunächst einiger methodologischer Überlegungen: Die Physik ist die grundlegendste Naturwissenschaft, die sich mit den Phänomenen von lebender und toter Materie auseinandersetzt. Ihre Ergebnisse resultieren methodisch aus dem Wechselspiel von systematischen Beobachtungen, logischen Überlegungen, gezielten Experimenten und verallgemeinernden, mathematisch gefassten Theorien.

Im Laufe der Entwicklungsgeschichte haben sich gemäß dem Erkenntnisfortschritt zahlreiche physikalische Disziplinen und Unterdisziplinen herauskristallisiert. Man unterscheidet zudem die interdisziplinären Physik-Bereiche, die sich meistens dadurch ergeben, dass man mit physikalischen Methoden in benachbarte Wissensgebiete eindringt, um sie schließlich auf ein neues, physikalisches Fundament zu heben. So erging es beispielsweise der Astrophysik, der Geophysik und der Biophysik.

Etwas weniger „etabliert“ - weil vielleicht noch etwas zu anwendungsbezogen - gelten zum Beispiel die Bauphysik, die Medizinische Physik oder gar die Sozialphysik, und man ist in seriösen Physikerkreisen geneigt, sie höchstens als „Unterdisziplinen“ einzuordnen. Immerhin könnte jeder unbedarfte Physiker behaupten, dass die Bauphysik mit Mechanik, Wärmelehre u.s.w. abgedeckt sei. Die enorme Leistung der Mediziphysiker in der medizinischen Forschung und in den Kliniken und mehr noch die der Physiker, die in der Anwendungsforschung neuer oder verbesserter Medizintechnik tätig sind, wird andererseits noch allzu oft von den leitenden Medizin-Professoren für sich vereinnahmt. Und die Sozialphysik, die sich gegenwärtig nur mit dem Zufall, dem Chaos und den Fraktalen herumschlägt, könnte vielleicht entscheidende Impulse erhalten, wenn es einst eine Physik des Gehirns gibt.

Wozu also eine „Siedlungsphysik“ einführen? Nun, der Autor hat nicht diese Disziplin, sondern ihre Bezeichnung erstmals formuliert! Theoretische und experimentelle Untersuchungen, die unter diesem Begriff einzuordnen sind, gibt es schon lange, und Unterdisziplinen dazu könnte man leicht aufführen. Erinnert sei zudem an die tragende Rolle der heutigen Astrophysik im Zusammenhang mit der Suche von zivilisatorisch relevanten Planeten in unserer Galaxie, die vorerst nur mit Hilfe physikalischer Mittel Sinn und Fortschritt macht.

Um unmissverständlich zu sein, möchte der Autor noch ein anderes Beispiel aufführen, und zwar aus der Archäologie, die der Siedlungsphysik natürlich sehr nahesteht bzw. seit langem von ihr profitiert: Schon seit vielen Jahren haben Physiker ein ganzes Repertoire von Messverfahren zur zerstörungsfreien Charakterisierung des Untergrundes entwickelt, die in der Archäologie erfolgreich zur Anwendung kommen, um Funde zu orten bzw. um eine Übersicht über deren Verteilung im Fundgebiet zu erhalten. Am Ende muss der Archäologe für die Erfüllung seines wissenschaftlichen Parts jedoch graben, womit die unwiederbringliche Zerstörung der Fundstelle einhergeht.

Die Siedlungsphysik beschritt einen schonenderen, nämlich den konsequent physikalischen Weg. Man erarbeitet zunächst eine systematische Formcharakteristik von Fundobjekten (z.B. Gräber), und man entwickelt dazu mathematische Struktur-Algorithmen als Grundlage einer computergestützten Bilderkennung. Der nächste Schritt besteht darin, die Struktur-Wechselwirkung mit bestimmten künstlichen (z.B. Bodenradar) bzw. natürlichen physikalischen Feldern (z.B. Erdmagnetfeld), die man für die Messung verwertet - also im gegebenen Fall insbesondere den Kontrast - theoretisch zu behandeln. Drittens geht es um den Einfluss des Untergrundes (z.B. geophysikalische Strukturmodelle!) auf den Felddurchgang bis zum Feldmessgerät, worauf die oben genannte Bilderkennung zum Einsatz kommt.

Mit diesem Verfahren ist die automatische Erkennung vergrabener Funde grundsätzlich völlig zerstörungsfrei möglich. Die Archäologen können sich daraufhin - z.B. im gescannten Gräberfeld - auf die exemplarische Ausgrabung beschränken. Mit Hilfe der physikalischen Parameter dieser ergrabenen Einzelobjekte und der Fundstelle ist zudem zweckmäßigerweise ein Verfahrensabgleich möglich, denn Physiker sind immer bestrebt, ihre Messgeräte und Messverfahren weiterzuentwickeln oder durch völlig neuartige, leistungsfähigere zu ersetzen.

Die Siedlungsphysik untersucht somit physikalische Feldstrukturen - somit die Bedingungen - der tatsächlichen und denkmöglichen Lebensräume. Es geht dabei um nicht weniger als entsprechende Fragen zur Vergangenheit, zur Gegenwart und zur Zukunft. Die Forschung geschieht mit Hilfe der Gesetze der Physik und ihrer Messmethoden, wobei  man sich zugleich äußerst kreativ mit gezielter Neu- und der Weiterentwicklung der einschlägigen physikalischen Verfahren und Techniken beschäftigt.

Interdisziplinäre Impulse sind selbstverständlich erwünscht, jedoch nicht zwingend erforderlich. Nachstehend seien einige Wissenschaften (mit ihren nicht genannten Unterdisziplinen) aufgeführt, die dafür besonders in Frage kommen:
Biologie, Medizin, Geologie, Paläontologie, Archäologie, Klimatologie, Geschichtswissenschaft, Ingenieurwissenschaften, Theologie, Sozialwissenschaften.

Als physikalische Unterdisziplinen kann man unter anderem problemlos einordnen: Bauphysik, Ökophysik, Umweltphysik, Sozialphysik und Wissenschaften wie Ozeanografie, Astronomie, Astrobiologie, insoweit sie physikalisch betrieben werden.

Noch einige Bemerkungen zum physikalischen Feldbegriff:  Ein Feld beschreibt die zeitliche und räumliche Verteilung einer physikalischen Größe. Bezogen auf den Raum muss man zudem Skalar-, Vektor- (Feldgröße ist ein Vektor), Tensor- und Spinorfelder unterscheiden.

Ist die Feldgröße an jedem Ort gleich (bzw. ortsunabhängig), so bezeichnet man das Feld als homogen. Ist dies nicht der Fall, heißt das Feld inhomogen. Wenn sich in diesem Fall das Vektorfeld aus dem Gradienten an jedem Ort eines Potenzialfeldes ergibt, spricht man von einem Gradientenfeld. Im Skalarfeld entspricht dies mathematisch der ersten Ortsableitung.