Leseprobe

Abschnitt 1.: Geheimnisvolle Schatzkammern - eine Einführung

Wenn man in dunkles Unbekanntes vorstoßen will, benötigt man eine Erleuchtung, denn das Licht am Ende des Tunnels kann lange auf sich warten lassen. Folglich erkannte der Autor eines Tages, dass die Zeit reif ist, die Chemnitzer Siedlungsurgeschichte zu hinterfragen, denn mit den Fesseln der „Bierthese“, auf die wir in diesem Buch zu sprechen kommen, ließ sich keines der Geheimnisse der städtischen Unterwelt lösen.

Unweigerlich kam es dadurch zur gleichzeitigen Konfrontation eines im Metier laienhaften Physikers mit dem Bestand und seinen Zuständigkeiten. Reibung erzeugt Wärme, und so wurde es zeitweise sogar hitzig. Das Wasser der Brandung wandelte sich auf rätselhafte Weise in Öl um, wodurch das Feuer in die Breite ging. Doch plötzlich öffneten sich die eigentlichen Schatzkammern von Chemnitz wie von Geisterhand. Wichte und Zwerge, Teufel und Engel, Hexen und Magier schlossen sich spontan der anschließenden Odyssee in das Dickicht eines ungeheuren Dunkelwaldes an. Die Geister, die ich rief, ward´ ich nicht mehr los!

Es reifte zudem die Erkenntnis, wonach Dichtung und Wahrheit des Wissens über die sehr ferne Chemnitzer Vergangenheit anscheinend irgendwo zwischen der Antwort auf zwei Fragen liegen:

Wie phantastisch ist eine Legende?

und

Wie viel Wahrheitsgehalt steckt in der wissenschaftlichen Arbeit eines Historikers oder eines Archäologen?

Beide Kategorien von Fachexperten müssen selbstverständlich mit viel Phantasie praktizieren, denn Schriftgut, Funde und Bestand sind nur Relikte und nicht die eigentliche Sprache und Denkweise der Zivilisationen, die sie hinterlassen haben. Man denke nur einmal selbst über folgende Frage nach:

Was könnten die in tausend Jahren schon über mich herauskriegen, wenn sie mein verlorenes Handy mit meiner letzten SMS im Boden fänden?

Unterirdische Gänge faszinieren die Menschen vermutlich vor allem wegen der Möglichkeit von darin hinterlegten Schätzen. (Deshalb sind die Bernsteinzimmer so in Mode.) Wenn es um die Schatzkammern geht, so darf man allerdings nicht nur an echte Hohlräume denken. Diese sind nämlich oft genug mit dem Abfall der Altvorderen verfüllt, meistens sogar nur mit mineralisch Unbrauchbarem, andere auch mit taubem Gestein. Womit wir bei den Klüften der Urzeit, den eigentlich begehrlichsten Schatzkammern der Erde angekommen wären. Die Phantasie kennt keine Grenzen, wenn man der geschundenen Erdkruste gedenkt, die im Höllenfeuer geboren wurde und trotzdem schon damals an das Wohl des Menschen dachte. Krachend ließ sie die Risse bis zur Oberfläche stürzen, wodurch das Spiel der Platten und Thermen erst einen Sinn bekam. Klammheimlich schloss sich dem hydrothermalen Strom das ganze Periodensystem an. Vor allem, wenn es um Gold und Silber ging, wurde in der Tiefe getuschelt und getauschelt, so dass der berühmteste Chemnitzer, Georgius Agricola, ganz schön ins Grübeln kam. Auch der Teufel gab nie auf und nutzte den gleichen Weg durch die Erdkruste, um den Druck seines Fegefeuers zu regulieren. Die Folgen waren für die Gegend verheerend, doch selbst in dieser tödlichen Phase wurden Schatzideen für die Ewigkeit realisiert.

Bei allen diesen Gelegenheiten wurde die eine Art der Chemnitzer Schatzkammern geschaffen und teilweise bis zum Bersten gefüllt. Dann kam der Mensch.

Vermutlich seinen Nöten und ganz bestimmt seinen Bedürfnissen ist es zu verdanken, dass eine phantastische Unterwelt durch ihn hinzugekommen ist. Als er zudem von den unterirdischen Schätzen aus der Urzeit erfuhr, machte er sich auch diese erfolgreich zu nutze; Jahrhunderte lang, alles zu seiner Zeit, manches eher, anderes später. Die Schatzquellen sind eigentlich nie richtig versiegt.

Und als die Not am größten war, wurden die Chemnitzer sogar von den dankbaren Berggeistern gerufen. Sie boten ihnen in der Stunde Null den besten Schutz und der Stadt wieder eine Zukunft. Doch ein halbes Jahrhundert reichte, den einstigen Reichtum der Stadt fast völlig vergessen zu machen. Deshalb versucht der Autor, an die vielen Episoden zu erinnern. Vielleicht lohnt es sich, den einen oder anderen historischen Schatz wieder zu entdecken oder bewusster zu machen, und vor allem zu bewahren.

Man muss nämlich den Bürgern ein ziemlich uneingeschränktes allgemeines Interesse an ihrer Unterwelt bescheinigen. Wenn vor 57 Jahren 10.000 Menschen darin noch ihre einzige Überlebenschance erkannten, haben ihr ebenso viele seit dem 15. Januar 1999 den Besuch abgestattet. Ja, die Eröffnung der Unterirdischen Gewölbegänge im Kaßberg zu Chemnitz hat schon wieder Geschichten geschrieben. Auch die Erinnerung daran sowie an viele ungenannte Bürger, die mit ihrer Hilfeleistung oder Spende zum Gelingen beigetragen haben, muss man, einem wichtigen Anliegen des Buches folgend, unbedingt wach halten.

Natur und Mensch haben die Chemnitzer Schatzkammern in einem zeitweise überaus dramatischen Wechselspiel erstellt, gefüllt und wieder entleert. Es ist schon so, als hätten sich beide ergänzt, ohne sich dabei zu erschöpfen. Im Gegenteil, die weitere Zusammenarbeit dieser Kräfte könnte und sollte zeitgemäß erweitert werden, zum Wohl und Ruhm der Stadt.

Vor allem dahin zielt der Beitrag.

Es stellte sich heraus, dass man zwischen Roman, Märchen und Fachbuch etwa die Mitte suchen musste, um nach Möglichkeit alle wichtigen Facetten des erstaunlichen Geschehens zu erfassen und um hoffentlich möglichst viele Leser zu erreichen. Nicht Vollendung motivierte, sondern eher Mahnung, endlich zu beginnen. Die Glanzlichter von Chemnitz liegen in der Vergangenheit. Zündet man sie nach und nach wieder an, so formiert sich wie von Geisterhand wieder eine Zukunft. Jedenfalls verspricht das so ähnlich ein bekanntes Sprichwort.

Vielleicht fühlt sich der eine oder andere durch die reichliche Nennung von Namen derer belästigt, die hier als mehr oder weniger zuverlässige schriftliche Berichterstatter gedient haben, doch bedenke man, dass sie nun einmal wesentlich zur Geschichte dazu gehören. Die wörtlichen Zitate - ein ganz besonderer historischer Schatz dieses Buches - sind stets kursiv und in Anführungszeichen gesetzt worden. Störend könnten für manchen auch die zahlreichen Querverweise zu anderen Abschnitten wirken, doch eigentlich sind sie nur als Hilfe zur besseren Übersicht gedacht. Der Autor jedenfalls hat diese zumindest in der Unterwelt oft genug verloren.

Sollte jemand in diesem Werk gesellschafts- und wissenschaftskritische Äußerungen zu entdecken glauben, so sei er vom Autor getrost dazu ermuntert. Die Idee zum Schreiben einer so umfangreichen Arbeit ist nämlich aus der Sicht des Menschen geboren, der einen Job suchte - nachdem er im Chemnitzer Sumpf arbeitslos gemacht worden war - und diesen im städtischen Untergrund zu finden hoffte. Das Projekt war sicher ungewöhnlich, wurde aber gerade deshalb vom Steuerzahler zeitweise unterstützt. Dann aber stürzten sich die Zwerge auf diesen Schatz und seine Kammern, und die Heinzelmännchen hatten hoffnungslos das Nachsehen.


 

Der Dank gilt allen Kritikern und Unterstützern des Vorhabens. Und er gilt auch schon jetzt allen jenen, die die Signale aufnehmen und wohlwollend der Verwertung zuführen. Ein ganz besonderer Dank gilt Ellen, der Frau, die alles erdulden musste.